Lebensqualität und Kultiviertheit
Eine hübsche Krönung meiner erlebnisreichen Arbeitswoche war ein frühsommerlicher Ausflug in die Pfalz. Im Weingut mit mediterranem Stil traf ich meinen sympathischen Bekannten, den Musiker. Am Abend kreisten meine Gedanken um unsere anregenden Gespräche.
Meine Freunde haben eine besondere Gemeinsamkeit. Sie legen Wert auf eine kultivierte, substantielle Unterhaltung in geschmackvollem Ambiente. Mir gefällt, dass sie bewusst für ihre Lebensqualität sorgen. Wenn ich mit solchen Menschen zusammen bin, fühle ich mich inspiriert.
Sinnhaftes mit Genüsslichem zu verbinden, ist für mich ein Aspekt hoher Lebensqualität. Die Kultiviertheit meiner Freunde sehe ich als Resultat einerr lebenslangen Entwicklung ihrer persönlichen Kultur.
Geistige Lebensqualität durch ICH – KULTUR
Die persönliche Kultur eines Menschen nenne ich „ ICH – KULTUR“.
Sie setzt sich für mich aus 4 Komponenten zusammen und basiert auf der Annahme, dass wir unser Selbst- und Lebensgefühl mit bewusstem Engagement eigenständig gestalten können.
- Schicksalhafte Bedingungen wie Herkunft, Gesundheit, Verluste, Naturkatastrophen oder Krieg beeinflussen, wie wir entscheiden, unser Sein zu formen.
- Angeborene neurobiologische Anlagen und das Temperament sind Grundlagen unserer lebenslangen ICH – KULTUR Entwicklung.
- Multiple Intelligenzen repräsentieren unsere Talente und Potenziale. Im Laufe unseres Lebens nutzen oder vernachlässigen wir sie.
- Verhaltensvariable wie Werteorientierung, Denk- Konflikt – und Arbeitsstile, etc., sind maßgeblich an der kontinuierlichen Entwicklung unserer individuellen Kultur beteiligt. Sie können wir bewusst beeinflussen, erlernen oder ablegen. Daher sind sie von zentraler Bedeutung für das Erreichen unserer geistigen Lebensqualität.
Entwicklungspsychologen sehen die „Ankunft des Selbst“ in einem Kind bei etwa 2 Jahren. Dann beginnt das Kind, sich als eigenständiges Wesen wahrzunehmen. Es spürt seinen Einfluss auf die Umgebung. Hier bricht für mich die individuelle ICH – KULTUR – Entwicklung an.
Als Künstler lebt mein Bekannter sein kreatives Talent ein ganzes Berufsleben lang aus. Kompositionen, Lehre und Musikauftritte bestimmen seinen reichen Alltag. Auch er erlebt Stress, Ärger und hat hier und da Ängste, die seine Lebensqualität einschränken. Jedoch hat er eine ICH – KULTUR entwickelt, die es ihm ermöglicht, bewusst eine Balance zu seinen vielen Verpflichtungen herzustellen. Er kennt seine Vorlieben und Bedürfnisse genau. Hindernisse nimmt er mit Humor. Mit Genüssen für Körper, Seele und Geist verwöhnt er sich. Während er genau darauf achtet, wie und mit welchen Menschen er seine wenige freie Zeit verbringt, erlebt er Momente höchster Lebensqualität.
Jeder kann über seine geistige Lebensqualität entscheiden
Meine Arbeit in der Führungskräfteentwicklung dreht sich zumeist um versteckte Konflikte, die die Lebensqualität meiner Klienten beeinflussen. Jeder möchte ein gutes Leben führen. Ob dies im Team gelingen kann, ist abhängig von der persönlichen Kultur der Player.
Herr Kim kommt aus einer gehorsamsorientierten Kultur. Der Kulturschock ist stark, als er seine Arbeit in einer Organisation mit flacher Hierarchie beginnt. Man erwartet von ihm selbstverantwortliches Arbeiten ohne permanenten Kontakt mit dem Vorgesetzten. Unsicherheit und Furcht, etwas falsch zu machen quälen ihn. Seine Lebensqualität in der neuen Umgebung ist stark eingeschränkt. Während seiner Integrationsphase lernen er und sein Vorgesetzter im Coaching über die Auswirkungen unterschiedlicher Auffassungen von Verantwortung. Indem sie sich besser verstehen, tragen sie zur eigenen Lebensqualität bei und sorgen gleichzeitig für die des anderen; ein Grundpfeiler für einen kultivierten Umgang.
Ohne persönliche Beziehung zu Kollegen fällt Frau Martinez eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schwer. Ihr stark aufgabenorientierter Chef empfindet ihren Small Talk als lästig. Wenn sie Persönliches erzählt, fühlt sich zurückgewiesen und ist traurig. Ihre Leistungsbereitschaft sinkt. Sie zieht sich zurück. Dieser Konflikt schränkt ihre Lebensqualität ein. Wenn beide die ICH – KULTUR bedingten Gründe für das Verhalten des Anderen kennen, können sie lernen, besser auf den anderen einzugehen.
ICH – KULTUR fördert geistige Lebensqualität und Achtsamkeit
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der lebenslange Prozess der bewussten Entwicklung einer persönlichen Kultur die individuelle mentale Widerstandkraft stärken, Gelassenheit fördern und zu einer erstrebten Lebensqualität beitragen kann.
Wer bewusst an seiner ICH – KULTUR arbeitet, wird sich unweigerlich mit ethischen und moralischen Aspekten seines Seins befassen müssen.
Die gesteigerte Bewusstheit über sein Menschenleben wird ihn achtsamer gegenüber sich selbst und anderen machen. Er wird seine Werte mit geistiger Stärke vertreten können und gerade daher gelassener agieren können.